Das Leben ist eine Reise. Nimm nicht zu viel Gepäck mit.
Am 07.03.2022 machte ich mich morgens auf den Weg in Richtung Polen. Eine Reise, welche ich vorher nicht geplant hatte, sondern spontan in den Kopf kam, als ich die hilflosen Menschen in den Nachrichten gesehen habe. Einfach grausam, wie Menschen ihr Hab und Gutzurücklassen mussten, um vor dem Krieg zu flüchten.
Als ich aufbrach, machte ich vorher einen Abstecher zu Mike. Mike ist von der Gruppe "We Ahr together", welche sich für die Flutopfer im Ahrtal eingesetzt hat. Nachdem wir morgens geschrieben hatten, sagte er mir einige Kartons mit Bekleidung, wie z.B Jacken, Hosen, Mützen, Schals und Handschuhe zu. Jeweils alles für Kinder und Jugendliche.
Diese habe ich selbstverständlich dankend angenommen, damit ich diese direkt vor Ort an der Polnisch ukrainische Grenze verteilen kann an die Kinder.
Die Gedanken
Auf meiner Reise machte ich mir überhaupt erstmal Gedanken darüber, was alles passieren kann und was dort abgeht. Ich würde das Leid der Menschen also nicht mehr im Fernsehen oder auf Facebook sehen, sondern direkt Live vor Ort... Aber ich fuhr weiter, denn für mich war es auch eine Reise, um mich selber zu finden.
Nach rund 700 Kilometer erreichte ich die polnische Grenze. Dort hieß es dann erstmal volltanken, da die Dieselpreise in Polen bei knapp 1,40 Euro pro Literliegen. Im Vergleich zu Deutschland natürlich ein riesen Unterschied.
Nachdem der Tankwart mir das Tanken abgenommen hat, holte ich mir einen Kaffee und sprach derweil mit dem Tankwart. Er wäre überrascht, dass aus ganz Europa Menschen zu ihm ab die Tankstelle kommen, um dann weiter Richtung Medyka zu fahren. Diese Hilfsbereitschaft hätte er nicht erwartet.
Nach dem kurzem aber schönen Gespräch, ging es dann direkt weiter Richtung Jaroslaw, wo ich mir das letzte Hotelzimmer im Umkreis von 50 Kilometer gebucht hatte. Wirklich alle Hotels waren ausgebucht, weil so viele Menschen helfen wollten oder halt geflüchtet sind! Wahnsinn. Das sind hunderte Hotels und tausende Zimmer!
Abends spät, so gegen 23 Uhr, erreichte ich mit einiger Verspätung durch einen Schneesturm, das Hotel. Alles war dunkel und es schien keiner da zu sein. Schock für mich, da ich mir schon ausgemalt hatte, wie ich im Auto schlafen muss 😱
Witold, ein Mann mit Herz
Nach einiger Zeit, kam dann der Witold und machte die Tür auf. Ein junger Mann, nette 30, der sehr gut deutsch sprach. Wir kamen ins Gespräch, über das, was mich an die Grenze verschlägt. 1500 Kilometer entfernt von meinem Zuhause, meinen Freunden. Und ja, ganz alleine, ohne jegliche Begleitung.
Er erzählte mir, dass er halb Ukrainer sei und in Jaroslaw groß geworden ist. Später ging er dann nach Deutschland und wohnt seitdem in Bielefeld. Jetzt ist er wieder zurück in Polen um, so wie ich, den Menschen vor Ort zu helfen.
Inzwischen war es 01.00 Uhr und ich musste es dringend ins Bett, denn die Nacht davor, habe ich nur 5 Stunden geschlafen, weil ich noch mit Menschen diskutiert habe per Mail 🤗
Um 6 Uhr ging dann auch schon der Wecker 😴 aufstehen, duschen, Kaffee... Ja, das war der Plan! Als ich dann unten ankam, kam auch schon die Chefin des Hotels auf mich zu und versorgte mich mit einem Kaffee und 2 belegten Brötchen. Dabei dachte ich, dass ich normal frühstücke, wie alle anderen Gäste. Dann erklärte sie mir, dass ich für sie ein Held sei. Viele kommen zum helfen und alle diese Menschen sind Helden! Daher hätte ich mir die Brötchen und den Kaffee in einem Thermobecher für unterwegs verdient!
Gegen 07.30 Uhr erreichte ich dann Medyka. Es war schockierend alles zu sehen... Menschen die von a nach b laufen, Frauen, Kinder, Mütter und Omas...
Später kam ich dann beim Lager der Organisation. "Centaurus" an, wo ich dirlet mitgeholfen habe, einen 40 Tonner auszuladen um die Güter auf verschiedene kleine Transporter zu laden. Quasi Frühsport!
Als wir fertig waren, fuhr ich dann zusammen mit Marvin die Lebensmittel, Hygieneartikel und Tiernahrung, an einen Grenzposten, eine halbe Stunde von Medyka entfernt. Dort warteten wiederum ukrainische Transporter, um die spenden und Güter zu laden und diese dann in die Ukraine zu bringen. Hierbei seie gesagt, dass es mit deutschen Kennzeichen schwieriger ist über die Grenze zu kommen, daher werden die Güter mehrfach umgeladen.
Am Abend haben wir dann an einer anderen Grenze "Marry" und ihren Hund (Booh) abgeholt. Diese waren auch Kiew geflüchtet und waren schon 3 Tage unterwegs.
In dem Gespräch mit Marry, erzählte sie uns, dass ein Freund von ihr in Leipzig lebt und ihre Tochter schon bei ihm ist. Sie müsste so schnell wie möglich dorthin. Klar, ich habe kurz überlegt, ob ich direkt nach Leipzig fahre, aber es waren rund 8 Stunden Fahrt... Also nicht Mal eben machbar.
Am Abend brachte ich sie dann zur Kirche von Jaroslaw. Dort hatte ich über Witold 2 Zimmer regeln können. Alles besser als draußen im Auto zu schlafen!
Am nächsten Morgen ging es dann für Marry und Booh Richtung Leipzig. Marvin und ich blieben zurück und halfen an einer anderen "Base" weiter. Dort warteten bereits einige Helfer, welche tatkräftige Unterstützung benötigten um Güter umzuladen.
Teil 2 meiner Reise
Später, also nach dem umladen, wurden wir dann zu einem kleinen Hotel geschickt, welches 2 Minuten fußläufig zu erreichen war. Wir hatten hier lediglich die Info, dass sich dort zwei Familien befinden sollten, welche wir abholen sollen. Dort angekommen, mussten wir überhaupt erstmal den Eingang suchen, denn das ist bei manchen Gebäuden in Polen nicht ganz so einfach 😬
Nach gefühlten 15 Minuten, fanden wir den richtigen Eingang und erfuhren von der Hausdame, dass sich die Rezeption im 1. OG befindet. Dort angekommen, kam mir schon die erste Familie entgegen, welche abgeholt werden sollte.
Es war eine Mutter mit 3 Kindern aus der Ukraine. Angesprochen auf Englisch, stellte sich schnell heraus, dass die Mutter deutsch spricht, weil sie lange Zeit in Deutschland gelebt hat, dann aber zurück in die Ukraine gegangen ist, weil sie dort ihre Mann kennengelernt hat. Sie teilte mir mit, dass sie nach Hückeswagen wolle, weil dort Familie von ihr wohnt. (vielleicht finde ich die Familie über diesen Weg? Teilt gerne den Beitrag).
Die zweite Familie war nur eine Mutter mit ihrer Tochter. Ich schätze sie auf circa 30 Jahre und die Tochter auf 6 Jahre. Viel gesprochen haben wir nicht, jedoch war ihr Ziel Berlin.
Nachdem wir die Familien dann zu den Autos geführt haben, ginge wir auch direkt unserer Hilfe nach - es sollte sich jedoch herausstellen, dass der Lkw, welcher die Ware abholen sollte, nicht kam.
Also machten wir uns auf dem Weg zu einer anderen Grenze. Diese befand sich circa 1 Stunde von Medyka entfernt in den Süden. Wir wussten nicht was uns erwartet, jedoch können es nicht schaden sich dort zu informieren, ob Hilfe benötigt wird. Tja, die Fahrt war umsonst, denn jegliche Art von Hilfen wurden bereits von anderen Helfern übernommen 😬
Das Einkaufszentrum - Fahrer registrieren
Nun gut, am nächsten Tag sollte es auch für uns wieder weitergehen und somit begaben wir uns auf den Weg nach Prznysl, wo ein ausrangiertes Einkaufszentrumist. Hier werden die Flüchtlinge erstmal untergebracht, um dann zu schauen, wohin sie möchten. Ihr müsst euch dass so vorstellen, dass jeder Laden eine Nummer hat. Jede Nummer steht für ein Land oder Region in Europa. Die 10. war z.B für Belgien, Deutschland, Frankreich und den Niederlanden. Um ehrlich zu sein, befanden sich dort etliche Flüchtlinge, jedoch wollte kaum einer an dem besagten Tag nach Deutschland.
Viele der geflüchteten, wollten nach Schweden, Dänemark, Niederlande oder halt einfach nur in Polenbleiben. Gründe hierfür wurden keine genannt.
Später fragte uns eine freiwillige namens Laura, welche übrigens aus Österreich kommt aber nun in Polen bei Ihrem Vater lebt, ob wir eine 7 köpfige Familie nach. Deutschland nehmen können. Leider ging das nicht, da unsere beiden Autos maximal Platz hatten für 6 Personen.
Wir schauten uns um und warteten... Plötzlich ging es ganz schnell. Laura kam erneut auf uns zu un sagte, sie habe eine Familie, die nach Berlin wolle. Ob wir diese mitnehmen könnten. Puh Berlin... Ganz schön großer Umweg, erwiderten wir und überlegten gemeinsam (Marvin und ich), ob wir es machen.
Plötzlich meinte Laura, dass wir die Familie auch hinter der Grenze rauslassen könnten, damit die Familie dann mit der Bahn weiter reist. Tja, wie ihr euch denken könnt, kam das für uns nicht in Frage. Also sagten wir zu und nahmen die Familie mit zu unseren Autos.
Die Augen der Kinder, der Mutter und der Oma, werde ich nie vergessen, als sie realisierten, dass es losgeht Richtung Deutschland. Richtung Sicherheit.
Der erste halt der Fahrt, war an einer Tankstelle. Dort kauften wir den Kindern Süßigkeiten, Sprite, Fanta und alles was ein Kind halt gerne hat 😄
Auf der Reise sprachen wir anfangs nicht sehr viel, da es einfach Probleme gab mit der Kommunikation. Dies legte sich später, als wir über translate kommuniziert haben. Lediglich die Kinder konnte ich anfangs nicht verstehen. Hierzu muss ich anmerken, dass ich Modellierballons hatte und den kleinen daraus Figuren gemacht habe 🤡 Danach haben die Kinder nicht wieder aufgehört damit zu spielen. Nein, sie habe sogar selber zum Schluss die Pumpe und Ballons genommen und versucht daraus Figuren zu modellieren 😅
Auf dem Weg nach Berlin, hatte ich Kontakt mit einem Hotel, welches Zimmer für 5 Personen anbietet. Hier bekam ich die Zusage, dass die Familie dort eine Nacht bleiben könnte für den Preis von 83,00 Euro zzgl Frühstück.
Letztendlich war es mir wichtig, dass die 5 nicht durch einen Raum getrennt sind. Sollten doch alle zusammen bleiben, damit keine Angst aufkommt. Wir fuhren also ganz entspannt und über 7 Stunden nach Berlin, machten Pausen und fuhren weiter, machten Pausen und fuhren weiter... Ach ja, bei McDonald's waren wir auch, denn jedes Mal, wenn die Kinder einen gesehen haben, machten sie nur: woooow...
Der Rest der Reise war ziemlich "normal". Lydia, die Mutter der Kinder, zeigte mir noch Bilder aus der Ukraine, besser gesagt aus Charkiw, da es sich hierbei um wirklich schreckliche Bilder handelt, möchte ich darauf eingehen oder darüber sprechen.
Die Geräusche von der Rückbank, störten noch absolut nicht, obwohl ich dazu sagen muss, dass mich sowas eigentlich immer extrem gestört hat 😬 Ab diesem Moment wusste ich auch: du warst anderen Personen gegenüber nicht fair. Aber das ist eine andere Geschichte 😅
Nun, hier ist die Reise zwar noch nicht vorbei, wird aber nicht mehr spannender.
Ich bedanke mich fürs lesen, teilen und Kommentieren!