Clown Pepe

Interview mit der St. Johanner Zeitung

Wie Christoph Gehrke zu Clown Pepe wurde, warum er sich in St. Johann niederließ und das Leben jeden Tag bewusst genießt.

Sein Lächeln ist markant, man erkennt ihn schnell auch ohne Schminke und Hut. Christoph, kurz Chris, erwartet mich schon am vereinbarten Treffpunkt und erzählt bereitwillig von den eigentlichen wenig erfreulichen Umständen, die ihn zu Clown Pepe werden ließen: In Deutschland geboren, übersiedelte der heute 35-Jährige nach der Grundschule mit seiner Familie nach Holland. Später wurde er Elektriker – auf Geheiß der Eltern. Spaß machte ihm der Beruf nie. 2011, im Alter von 23 Jahren, schmerzten plötzlich Gelenke und Muskeln, der rechte Arm wurde dick und blau. Nach einer Odyssee, die ihn von einem Arzt zum anderen führte, stellte man schließlich die Diagnose „chronische Borreliose“. An eine weitere Ausübung seines Berufs war nicht zu denken.

Es folgte ein sechsmonatiger Krankenhausaufenthalt in Lingen, Deutschland – eine schwierige Zeit für den jungen Mann: Die Wochen zogen sich in die Länge, Langweile plagte ihn. Deshalb sagte er sofort zu, als man ihn bat, im Krankenhaus ins Nikolaus-Kostüm zu schlüpfen und den „guten Mann“ zu geben, weil der ursprünglich gebuchte Nikolaus kurzfristig ausgefallen war. „Ich musste damals mit Krücken gehen, und da konnte ich stattdessen ja auch den Nikolaus-Stab nehmen“, erzählt Chris lächelnd. Weil das so gut klappte, mimte er bei anderen Gelegenheiten auch andere Figuren und schließlich einen Clown. Dabei verdiente er natürlich nichts, „aber ich war beschäftigt, die anderen waren beschäftigt, und alle hatten ein glückliches Lächeln im Gesicht.“ Noch vom Krankenhausbett aus besuchte er als Clown Pepe Seniorenheime, dann kam die erste Anfrage für einen Kindergeburtstag und damit das erste Mal, dass er Geld für seinen Auftritt bekam. Von da an „stolperte“ er von einem glücklichen Zufall in den nächsten: Inzwischen aus dem Krankenhaus entlassen, wurde er als Clown für weitere Geburtstage und in der Folge auch für größere Bühnenauftritte gebucht.

Bei einem solchen fragte man ihn, ob er nicht Lust hätte, als Schauspieler in einer deutsch-holländischen Produktion mitzuwirken. Chris hatte Lust, machte seine Sache gut, bekam weitere Engagements als Schauspieler und rutschte so in die TV-Szene hinein. Er drehte Werbespots, übernahm eine Gastrolle in der „Lindenstraße“, sprang bei der Dating-Show „First Dates Nederland“ ein, wurde ihr Werbegesicht und vieles mehr. Daneben gab es immer auch viele Buchungen als Clown, unter anderem beim „Königstag“ in Holland. Und dann kam Corona und damit „Schicht im Schacht“, wie es Chris ausdrückt.

Corona und neue Herausforderungen

Was tun? Trübsal blasen und von den Ersparnissen leben oder neue Herausforderungen suchen? Chris entschied sich für letzteres. Weil er schon als Bub immer einmal hinten auf einem Müllauto stehen und mitfahren wollte, heuerte er in diesem Job an. Als im Lockdown alle drin bleiben mussten, war er „systemrelevant“ draußen unterwegs. Zwei Monate lang, „dann war der Sommer vorbei, es regnete und ich hörte auf.“ Der nächste Job führte ihn in einen metallverarbeitenden Betrieb, danach verdingte er sich als Zusteller eines Lebensmittelkonzerns. Allerdings nicht lange: Er wurde in einen Autounfall verwickelt und schwer verletzt. Die Folge war monatelanger Krankenstand – wieder einmal.


Als die Pandemie letztes Jahr Auftritte wieder zuließ, nahm er seinen Job als Clown erneut auf. Bei einem Auftritt in Italien lernte er seine (mittlerweile Ex-)Freundin kennen, sie lebt in Virgen in Osttirol. Der Weg zu ihr und zurück zum Flughafen München führte über St. Johann.
Die zwischenmenschliche Beziehung ist Geschichte. Geblieben ist die Liebe zu den Bergen, zu einer Landschaft, in der der umtriebige Clown gelernt hatte, einen Gang zurückzuschalten.
Immer öfter beschäftigte Chris der Gedanke, Deutschland den Rücken zu kehren. „Das ist kein Land, in dem du sterben willst“, sagt er und spielt damit vor allem auf den Umgang der Regierung mit Corona an. Dass er St. Johann schließlich als neuen Heimatort wählte, hängt mit der zentralen Lage Tirols zusammen – Südtirol, die Schweiz und Deutschland sind von hier aus schnell erreicht. Und Gelegenheiten für Auftritte wird es für einen guten Clown auch hier jede Menge geben, davon ist Chris überzeugt. Bis das Spaßmacher-Business richtig gut angelaufen ist, tauscht er für die Firma Elin als Teilzeit-Elektriker Stromzähler aus. Bei seiner Arbeit lässt er sich gerne auf Gespräche mit den Kund:innen ein, so ergeben sich immer wieder Aufträge für ihn.

Auf Augenhöhe

Chris besuchte nie eine Clownschule, das Modellieren der Ballontiere brachte er sich selbst bei. „Entweder kannst du’s, oder nicht!“ Er war nie der besonders lustige oder schlagfertige Typ. Aber er mag es, kleine und große Leute zum Lachen zu bringen. Er begibt sich auf Augenhöhe mit den Kindern, setzt sich zu ihnen, treibt mit ihnen Schabernack. Er setzt sich auch zu den Alten, hört ihnen zu, hält ihre Hand, tanzt mit ihnen. „Ich mache das, weil ich es mag. Ich sehe das nicht als Arbeit.“ Deshalb ist er in Altersheimen regelmäßig auch ehrenamtlich unterwegs. Ältere Damen bringt er mit flotten Sprüchen zum Schmunzeln, mit einer Ballonblume oder einem -herz. Die männlichen Heimbewohner sind schwieriger zu „knacken“, gesteht Chris, oft geht es über das gemeinsame Ballontiere-Basteln. Oder er bläst Luftballons auf, lässt die Luft entweichen und in die Richtung der strengsten Betreuungskraft zischen. Ein Heidenspaß! Oft bastelt Pepe im Altersheim einen Ballon-Hund oder andere Haustiere und weckt damit frohe Erinnerungen bei den Bewohner:innen.

Bewusst leben

In den vielen Jahren, in denen er in Altersheimen unterwegs war und ist, sprach er viel mit den Bewohner:innen und stellte ihnen immer wieder dieselbe Frage: „Wie würdest du dein Leben leben, wenn du noch einmal zwanzig Jahre alt wärst?“ Die Antworten sind eindeutig: 90 Prozent sagen, sie würden kein Haus mehr bauen – man lebt so viele Jahre für die Finanzierung und kann es am Ende nicht behalten. Die meisten würden weniger arbeiten und mehr Zeit der Familie widmen. Sie würden mehr reisen, sich die Welt ansehen. Umziehen, wenn einem der Ort nicht gefällt. Und sie warnen die Jugend vor dem Smartphone, dem „Zeitfresser“, der einen von sinnvollen Dingen abhält.
Chris nimmt sich das, was sie sagen, zu Herzen. Er lebt sein Leben, wie es sich für ihn gut anfühlt. Dort, wo es für ihn passt. Er hat inzwischen Kontakt zum Theater in Kirchdorf aufgenommen, er ist dort Probenhelfer. Er will sich integrieren, sucht Anschluss.


Er lebt jeden Tag in dem Bewusstsein, dass das Leben von heute auf morgen anders oder ganz aus sein kann. Sein Vater starb im Alter von 49 Jahren an einem Herzinfarkt, die Mutter mit 47, eine Woche nach Chris’ 18. Geburtstag. Er musste früh erwachsen werden. Vielleicht schlüpft er deshalb so gerne in die Rolle des „Faxenmachers“. Wenn er die Schminke im Gesicht trägt, ist er ein anderer, er bewegt sich anders, spricht anders – das bestätigen ihm seine Freunde. Es brauche ungefähr eine Stunde, bis er nach einem Job als Pepe wieder Chris sei, sagt er.
Immer wieder höre ich während unseres Gesprächs das Wort „Ex-Freundin“, Chris hatte offensichtlich mehrere Beziehungen. Wie ist sein aktueller Status? „Och, ich kann nicht mit Frauen, ich bin zu blöd für Frauen, keine Ahnung“, seufzt er etwas resigniert. Nun, er kennt die „Sainihånserinnen“ noch nicht, wer weiß, was noch kommt?


Kommen soll auf jeden Fall ein Job für ein großes Unternehmen in Innsbruck, und dann ist Chris auch regional für ein Großevent im Gespräch. Vielleicht lässt Pepe seine Luftschlangen in Richtung des einen oder anderen „Promis“ zischen? Das könnte lustig werden …

Doris Martinz


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